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1.10 Generalprobe

Mum entschied, daß wir nach den Anstrengungen des Vortags einen Familientag haben würden. Das ist Elterndialekt für einen Familienausflug ob wir mochten oder nicht, und üblicherweise zu einem Ort, um den wir lieber einen Bogen machen würden. Zur Überraschung war es dieses Mal gar nicht so schlecht. Dad fuhr uns nach York, aber vorher machten Mom und ich eine Trainingsrunde durch Nord Nottinghamshire.

Ich mag York. Es ist nur etwas über eine Stunde von Zuhause, und die alten hatten beschlossen, daß wir das Jorvik Erlebnis 'machen' würden, also fuhren wir direkt da hin. Für alle die das nicht kennen, Jorvik ist Geschichte zum Leben erweckt mit Animatronic und man wird in kleinen Elektrokarren herumgefahren. So etwas gibt's mittlerweile überall, Robin Hood in Nottingham ist auch nichts anderes. Eine weitere Gemeinsamkeit sind die langen Schlangen am Eingang, aber wir schafften es gerade vor einer Busladung von Pfadfindern und einer Gruppe des Frauenverbandes hinein zu kommen.

Ich werde hier keine Details beschreiben – wenn Ihr das wollt, schaut im Internet nach, oder besucht es selber! Wir waren alle begeistert, selbst die geschichtsabweisende Juliette. Hinterher besuchten wir Clifford's Tower, mir wurde schon schwindelig als ich zum Tor hochkletterte, aber es war wirklich die Anstrengungen wert. Ein spätes Mittagessen war als nächstes dran. Wir fanden ein Café in der Nähe von The Shambles, das eine vernünftige Mahlzeit bereitstellte ohne die Bank zu sprengen. (Zumindest gehe ich davon aus, da Mum und Dad keinen Streit darüber hatten, was wir essen durften und was nicht.)

Nach dem Essen machte Dad den Vorschlag, einen Rundgang über Teile der Stadtmauer zu machen. Das machte Spaß, auch wenn es zum Schluß hin anstrengend wurde, eine Gruppe von eingebildeten, französischen Studenten vorbei zu lassen. Dann bestand Mum darauf das Münster aufzusuchen, um die berühmte Glasmalerei anzusehen. Unsere Familie ist nicht religiös, auch wenn sie der Anglikanischen Kirche angehört. Ich schätze die meisten Besuche in kirchlichen Gebäuden sind von dieser Art. In anderen Worten: Kurz.

Hinterher schlenderten wir noch durch die Läden und dann zurück zu unserem Auto für die Fahrt nach Hause.

Mit all der Aktivität am Wochenende hatte ich kaum Gelegenheit mir einen Kopf wegen der Kostüme zu machen. Es war Juliette, die das Thema später am Abend zur Sprache brachte.

"Drew, wir müssen Dein Kostüm heute noch fertig machen."

"Vermutlich."

"Bring die Sachen in mein Zimmer. Da kannst du dich in Ruhe umziehen damit ich sehe, was noch zu tun ist."

Ich hatte mich damit abgefunden, aber das exzellente Wochenende verhinderte, daß es zu sehr auf meine Stimmung drücken konnte. Ich holte die Tasche die mir Rhod mitgegeben hatte und überquerte den Flur zu Juliettes Zimmer.

"Gut. Bernie hat mir am Freitag die Tennis Höschen gegeben. Du kannst sie also gleich mal anziehen. Dann wirst werden wir sehen, wie viel sie verraten."

"Willst du da stehen bleiben und mir zusehen?"

"'tschuldigung, ich geh und hole uns ein Sandwich, Corned Beef OK?"

"Mit Gurke?"

"Ok, bin gleich wieder da."

Ich wartete, bis sie de Tür geschlossen hatte, dann zog ich Jeans und T-Shirt aus. Ich nahm Bernies Tennis Höschen und zog es über meine eigene Unterwäsche. Das war alles so bescheuert! Dann nahm ich mein Chii Kostüm von dem Kleiderbügel auf dem es meine Schwester zu hängen hatte und zog es an. Ich versuchte den Reißverschluß zu schließen, aber konnte ihn nicht mehr als ein paar Zentimeter hoch ziehen. Jules kam in diesem Moment zurück, was mich einen Satz machen ließ, als sie die Tür öffnete.

"Mein Gott Jules, du hättest mich warnen können, ich dachte es wäre Mum!"

"Tut mir leid, aber meine Hände sind voll."

Sie schob mir ein Tablett mit Sandwiches in meine Hände und ich stellte es auf ihre Kommode.

"Nimm die Getränke, dann schließe ich die Tür ab."

Die Getränke folgten dem Essen auf die Kommode.

"Ok, laß uns mal den Reißverschluß zu machen, dreh dich um."

Ich drehte mich um und sie zog den Reisverschluß zu.

"Das paßt dir richtig gut." Sie zog alles ein wenig hin und her. "Da brauchen wir nicht viel machen."

"Kann ich es wieder ausziehen?" Ich hatte das Kostüm zehn Minuten an und ich fühlte mich nackt und unangenehm. Unangenehm es zu tragen meine ich, es paßte eigentlich ganz gut.

"Noch nicht. Ich möchte, daß du deine Schuhe anziehst und darin herumläufst."

"Muß ich wirklich?"

"Ja. Das letzte mal hattest du Angst, daß die Leute dein Gehänge sehen könnten, also zeig mal her."

Verlegenheit hatte da keinen Platz. Ich hob den Rock an und sie sah meine Unterwäsche.

"Laß los und dreh dich."

Ich folgte der Anweisung meiner Schwester.

"Das Höschen funktioniert ganz gut, aber beim Schulball wirst du deine Unterhose nicht drunter tragen können."

"Wieso nicht?"

"Weil ich sie sehen kann und das bedeutet, daß andere Leute sie sehen werden. Und außerdem, Mädchen tragen solche Unterhosen nicht."

"Ich kann aber nicht nur dieses Höschen tragen."

"Ich stimme dir zu. Ich weiß schon, die Höschen die wir dir zu Weihnachten geschenkt haben sind immer noch im Wäscheschrank. Die kannst du drunter anziehen."

"Das könnte gehen."

"Kein 'könnte', so machst du es."

Sie hörte sich an wie Mum, als sie das sagte.

"Ok, zieh deine Schuhe an und laufe ein bißchen auf und ab. Die wirst du brauchen."

Sie gab mir ein Paar Nylon Kniestrümpfe. Ich erinnerte daran, was im Schuhladen passiert war, diese Erregung die mich ergriffen hat, als ich die dünnen Strümpfe überzog. In die Schuhe hinein zu schlüpfen ging ganz leicht und dann schloß ich die kleinen Schnallen der Riemchen. Als ich zu Juliette hoch sah hatte sie gerade ihr Kostüm angezogen und war mit dem Reißverschluß beschäftigt.

"Kannst du mal zu machen?"

"Ok."

Das letzte Mal hatte ich sie in dem Kleid gesehen, da war sie Brautjungfer auf Tante Madges Hochzeit. Es war nun leicht verändert, und der Rock war vorn angehoben, so daß man ihre Beine sehen konnte. Dazu noch die Stiefel, die ich ihr gekauft hatte und plötzlich stand Yubi vor mir.

"Fang an zu gehen."

Es fühlte sich ganz anders an, in diesem Outfit herum zu laufen, als in dem Kostüm, das ich zu Weihnachten getragen hatte. Das kam beinahe bis zum Knie. Nun kitzelten mich Rüschen am Oberschenkel während ich auf und ab ging. Der Absätze wegen mußte ich auch kleinere und langsamere Schritte machen. Jules lief auch herum, da sie sich erst an die klumpigen Solen der Stiefel gewöhnen mußte. Außerdem erlaubte ihr Mum nicht sehr oft Heels zu tragen.

"Das reicht für heute. Ich muß nur noch die Schleifchen annähen, dann ist dein Kostüm fertig."

"Hurra!" flüsterte ich. Meine Gefühle zu der ganzen Aktion waren immer noch deutlich negativ. Zumindest würde es in ein paar Wochen vorbei sein.

Montag war so schlimm wie immer. Ich fragte Clive ob er und Paul zum Tanz gehen und bekam eine Überraschung als Antwort.

"Natürlich werden wir hingehen."

"Das klingt nicht gerade nach euch."

"Mag sein, aber Maddy hat erzählt, daß ihre Kusine kommen wird."

Maddy hatte nichts davon gesagt, daß uns noch andere begleiten würden. Das Fragezeichen in meinem Gesicht ließ Clive fortfahren.

"Du weißt schon, das Mädchen in Meadowhall, von dem ich dir neulich erzählt habe. Ich glaube ihre Freundin Pippa wird auch dabei sein."

Das zog mich runter. Da war Clive, einer meiner besten Freunde, und erzählte mir er hatte sich in Gaby verknallt! Ich versuchte das Thema zu wechseln.

"Als was werdet ihr euch dann verkleiden?"

"Dana nana nana, Batman! Und Paul als Robin."

Das bedeutete, daß er wirklich hingehen würde. Und so wie es aussah wollten die Mädchen Rhod und mir einen Streich spielen.

Gerade dann klingelte es für die Schulversammlung, was verhinderte, daß ich meine Befragung fortsetzen konnte. Unsere Schule hat Montags immer eine Versammlung der ganzen Schule, den Rest der Woche wechseln sich untere und obere Klassen ab. Also gab es montags immer ein Gedränge wenn 1200 Schüler einen Stehplatz beanspruchen wollten.

Wie gewöhnlich verlaß unsere Konrektorin, Mrs Johnson, die Bekanntmachungen, bevor uns der Chor für 5 Minuten unterhielt. Danach kam unser Rektor Mr. Wood mit seinen üblichen Weisheiten zum Themenpaket der Woche. Zum Schluß dann die traditionellen Sportergebnisse, Erfolg oder Niederlage der verschiedenen Fußball, Hockey und Netball Teams, dann die weniger bekannten Teams, die Schachmeisterschaften und das neue Basketballteam. Danach hörte ich zu meiner Überraschung meinen Namen. Offensichtlich wurde dem Rektor mein Erfolg vom Samstag zugetragen. Natürlich drehten sich alle zu mir herum und mein Kopf bekam eine leuchtende rote Farbe.

Dieser Montag war anders als andere. Einige der Jungs gratulierten mir für mein "Radeln". Das war schon mal schwer zu verdauen. Zusätzlich kam mir das Gespräch mit Clive immer wieder hoch während ich durch den Tag stolperte. Ich würde den Mädels absagen müssen, auf gar keinen Fall würde ich jemals wieder Gaby sein.

Die Anderen trafen kurz nach sechs bei uns zu Hause ein. Mum hatte Pizza für uns bestellt, und ich kam auch gleich zur Sache.

"Ich kann es nicht tun und ich denke Rhod sollte es auch nicht."

"Was?"

"Warum?"

"Ich hab mich heute Morgen mit Clive unterhalten. So wie's aussieht hat er sich in mich verknallt. Und so wie er es erzählt hat, hat Paul sich in Rhod verknallt."

"Soll das heißen, die sind beide schwul?"

"Wer hätte das gedacht?"

Ich begriff, daß ich da was vergessen hatte.

"Nicht in mich und Rhod, sondern Gaby und Pippa."

"Das hört sich schon besser an."

"Nein Ally, das ist nicht besser. Ich will nicht, daß sich meine Freunde in mich verknallen."

"Komm schon, das ist ein richtiges Kompliment. Ich meine, den Beiden muß wirklich gefallen haben, was sie letzte Woche gesehen haben."

"Das macht es nicht besser. Und Maddy, du hast ihnen gesagt, sie sollen zu dem Tanz kommen, um uns zu sehen."

"Ich hab raus rutschen lassen, daß Gaby und Pippa dort sein werden, aber ich dachte es würde mit der Verkleidung helfen."

"Wie das denn?" fragte Rhod.

"Wenn ihr einfach so aus dem Nichts erscheint, werden die Leute fragen über euch stellen, 'ne Menge Fragen. Wenn ihr da auftaucht und ihr bereits bekannt seid, dann seid ihr getarnt. Niemand wird die falschen Fragen stellen."

"Sie hat Recht, verstehst du?" schob Juliette ein.

Als ich darüber nachdachte, konnte ich einiges an Logik daran erkennen, aber Freude kam dadurch noch nicht auf.

"OK, ich werd's tun," gab Rhod von sich.

"Das wußten wir schon, Rhod. Nur Angsthase Drew will nicht."

"Seh es mal so: Ich wollte von Anfang an nicht, ihr habt mich da rein gedrückt." Ich wußte, daß ich mich da selbst hinein geredet hatte.

"Haben wir nicht!"

"Ok, ich will zwar immer noch nicht, aber ich will mal nicht so sein."

"nachdem das jetzt geklärt ist," Juliette übernahm die Kontrolle, "laßt uns die Kostüme anprobieren. Drew, du und Rhod benutzt dein Zimmer, und wir benutzen meins. Wir treffen uns wieder hier in einer halben Stunde."

Wir zogen alle los um uns umzuziehen.

Da es so zu sagen eine Generalprobe sein sollte, mußten wir wirklich das komplette Kostüm anziehen. In meinem Fall bedeutete das, Strümpfe mit Strapsen zusammen mit dem Höschen. Ich schaffte es zwar, alle an zu ziehen, aber die Strumpfhalter verwirrten mich nur.

Als ich zurück ins Wohnzimmer ging, war Ally schon da. Sie half mir die Strümpfe mit den Strapsen zu verbinden, nachdem ich letztere unter dem Höschen durch gezogen hatte. Mann fühlte ich mich blöd. Als dann die anderen Mädels eintrafen machten mir Komplimente wie gut ich doch aussah.

"Drew, du hast die Perücke vergessen."

Ich sah immer noch aus wie ich, aber wie ich in einem sehr kurzen Kleid! Und ich mußte zugeben, ich sah wirklich ein wenig süß aus. Grrrr!

"Ich helfe dir," sagte Mad, "komm mit in die Küche und setz dich hin."

Mit ihrer Erfahrung hatte sie das Haarteil schnell an seinem Platz, so daß meine dunkel Blonden Haare von den helleren, langen Haaren verdeckt wurden.

"Gott! Mit ein wenig Schminke wirst du richtig heiß aussehen."

"Danke, das brauche ich gerade noch, Clive läuft mir schon nach!"

Wir gingen zurück zu den Anderen und meine Schwester übernahm wieder das Kommando.

"Laßt uns mal überprüfen ob jeder alles hat."

Wir sahen uns gegenseitig an um heraus zu finden, ob noch irgendwem etwas fehlte.

"Bernie, du brauchst noch einige Streifen."

"Ich weiß, Ally wollte sie nächste Woche auf malen. Ich dachte nur für heute wäre es zu viel Aufwand."

"Du brauchst noch einen Geldbeutel, Rhod."

"Ich habe einen, der passen würde," versprach Ally.

"Dann sieht es so aus als wären wir all komplett."

"Weißt du Drew, ihr seht wirklich wie Zwillinge aus, du und Maddy."

Das war wirklich, was ich hören wollte.

"Cool!"

"Vielleicht wurden sie nur nach der Geburt getrennt?"

"Hör auf damit!" Ich errötete nun schon zum zweiten mal heute.

"Die Jungs müssen noch üben zu tanzen, besonders Drew mit diesen Schuhen."

Das gab Gekicher von den Mädels und verlegene Blicke von Rhod und mir.

Das war mein Untergang. Jules suchte einige CDs aus, während der Rest von uns die Möbel verschob, so das wir Platz zum tanzen hatten. Die Zeit bis um Acht verbrachten wir damit, unsere Tanzschritte zu üben. Zu meiner Demütigung übten wir auch dieses spezielle Mädchending, ein wenig wie Line-Dancing, aber kürzere Schrittfolgen.

Wir wechselten in unsere normalen Klamotten, bevor meine Alten zurück kamen und alle gingen nach Hause. Was für ein Tag, ich fühlte mich wie gerädert.

 

© Maddy Bell 09.02.2003 alle Rechte vorbehalten http://www.maddybell.com

© Für die deutsche Übersetzung Andreas und Saphira November 2009

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